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Stellungnahme Referentenentwurf Stärkung der Pflegekompetenz

Pflege

SoVD Stellungnahme zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit: Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Pflegekompetenz

1 Zusammenfassung des Gesetzentwurfs

Angesichts der Herausforderungen in der Akut- und Langzeitpflege in den nächsten Dekaden durch den demografischen Wandel führt der Gesetzentwurf ein Bündel an Maßnahmen zu unterschiedlichsten Regelungsbereichen auf.

Zur Stärkung der Kompetenzen von Pflegefachpersonen wird der Aufgabenbereich im pflegerischen und heilkundlichen Leistungsbereich erweitert. Zugleich sind verschiedene Erprobungsverfahren zur weiteren Entwicklung und künftigen Ergänzung (etwa zur Einbeziehung von Pflegefachpersonen in das Begutachtungsverfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit) ebenso vorgesehen wie eine Evaluation insgesamt. 

Mit der Einführung eines neuen „stambulanten“ Versorgungsbereichs als dritte Säule in der Langzeitpflege neben den ambulanten und stationären Versorgungssektoren soll dem Wunsch der Pflegebedürftigen nach Alternativen zu den klassischen Versorgungsformen entsprochen werden.

Vor dem Hintergrund eines höheren Anstiegs der tatsächlichen Zahl der Pflegebedürftigen über die prognostizierte demografische Entwicklung hinaus ist zudem eine Evaluation der Entwicklung der Zahl der Pflegebedürftigen und der Wirkungsweisen des geltenden Begutachtungsinstruments vorgesehen. 

Schließlich soll die Rolle der oder des unparteiischen Vorsitzenden im Qualitätsausschuss Pflege gestärkt werden. 

Im Gegensatz zum Kabinettsentwurf eines Pflegekompetenzgesetzes der letzten Bundesregierung vom 18. Dezember 2024 sieht der vorliegende Entwurf eine Verstetigung des Amtes der*des Beauftragten der Bundesregierung für Pflege nicht mehr vor. Entfallen sind außerdem vormals enthaltene Anpassungen im Bereich der niedrigschwelligen und entlastenden Unterstützung von Pflegebedürftigen in der häuslichen Umgebung, ursprünglich geplante Regelungen zu den Förder­mitteln ehrenamtlicher Strukturen und Angeboten zur Unterstützung im Alltag sowie die ursprünglich vorgesehenen Umwandlungsansprüche des ambulanten und teilstationären Sachleistungsbetrags.

Das Gesetz soll zum 1. Januar 2026 in Kraft treten. 

2 Gesamtbewertung

Mit den geplanten Kompetenzerweiterungen der Pflegefachberufe ist eine lange überfällige Anerkennung der fachlichen Kompetenzen der Pflegefachberufe verbunden, die der SoVD ausdrücklich unterstützt. Vorhandene personelle Ressourcen und fachliche Kompetenzen sollen künftig stärker genutzt werden. Gleichzeitig werden die Pflegefachberufe als Berufsbild durch ein größeres Aufgabenspektrum und mehr Eigenverantwortung insgesamt gestärkt und attraktiver ausgestaltet. Dies ist ein wichtiger Schritt, um dem demografischen Wandel und dem gravierenden Fachkräftemangel zu begegnen. 

Für eine optimale Nutzung des fachlichen Potenzials und zur Sicherstellung einer qualitätsgesicherten, hochwertigen Versorgung müssen richtigerweise eindeutige und an den jeweiligen Qualifikationen ausgerichtete Aufgabenzuweisungen und Leistungskompetenzen klar definiert werden. Darüber hinaus ist die Erprobung weiterer Zuständigkeitserweiterungen für Pflegefachpersonen perspektivisch sinnvoll und eine zeitnahe Evaluation der Auswirkungen der bereits erfolgten Aufgabenerweiterungen essenziell. Das entbindet jedoch nicht von der Notwendigkeit, die beruflichen und arbeitsrechtlichen Bedingungen in der Pflege weiter zu verbessern. 

Eine Studie der Arbeitnehmerkammer Bremen in Zusammenarbeit mit der Hans-Böckler-Stiftung mit dem Titel „Ich pflege wieder, wenn“ zeigt, dass neben dem Wunsch nach mehr Augenhöhe gegenüber den Ärzt*innen auch eine bessere Bezahlung und verlässliche Arbeitszeiten sowie –bedingungen entscheidend für den (Wieder)Einstieg in die Pflegeberufe sind. Der SoVD befürwortet weiterhin die Forderung nach einem bundeseinheitlichen, flächendeckenden Tarifvertrag auch für die Altenpflege. Dies bietet die Möglichkeit, branchenweit eine angemessene Bezahlung unter fairen Bedingungen zu etablieren. Starke Pflege braucht starke Kräfte.

Der SoVD erkennt den gesetzgeberischen Willen an, dem Wunsch vieler Pflegebedürftiger nach Alternativen zu den klassischen Versorgungsformen zu entsprechen und Mischformen als sogenannte neue Wohnformen zu fördern und weiterzuentwickeln. Aber mit der Einführung des „stambulanten“ Versorgungsbereichs als dritte Säule in der Langzeitpflege neben den ambulanten und stationären Versorgungssektoren droht vielmehr eine Verfestigung der Sektorengrenzen, anstatt eine Durchbrechung. Das sieht der SoVD sehr kritisch. Kritisch sieht der SoVD auch das modular geplante Zusatzangebot, das gerade mit zunehmendem Pflegegrad eine finanzielle Herausforderung für Menschen mit geringen finanziellen Möglichkeiten darstellen und den Druck auf Pflegebedürftige untereinander sowie auf pflegende Angehörige negativ erhöhen kann. Der SoVD spricht sich weiterhin für die Einführung einer – am individuellen Pflegebedarf ausgerichteten – Pflegevollversicherung aus, die alle pflegerischen Kosten übernimmt.

Eine Evaluation der Entwicklung der Zahl der Pflegebedürftigen und Wirkungsweisen des seit 2017 geltenden Begutachtungsinstruments ist angesichts eines höheren Anstiegs der tatsächlichen Zahl der Pflegebedürftigen über die prognostizierte demografische Entwicklung hinaus durchaus sinnvoll. Es wird jedoch befürchtet, dass angesichts der finanziellen Schieflage der sozialen Pflegeversicherung der Auftrag vornehmlich kostendämpfungsspezifisch motiviert ist. Deshalb fordert der SoVD einen transparenten Umgang mit den Ergebnissen und einen öffentlichen Diskurs.

Schließlich sollte für mehr Transparenz und Unabhängigkeit der Qualitätsausschuss Pflege einen ständigen unparteiischen Vorsitz erhalten und mit einem eigenen Antragsrecht – wie alle anderen Beteiligten auch – ausgestattet sein. Der erweiterte Qualitätsausschuss Pflege wäre mit seiner Schiedsstellenfunktion dann nicht mehr zusätzlich erforderlich.

Ergänzend fordert der SoVD insbesondere die (Wiederaufnahme der) Verstetigung des Amts der oder des Beauftragten der Bundesregierung für Pflege, wie es noch der Kabinettsentwurf eines Pflegekompetenzgesetzes der vergangenen Bundesregierung vom 18. Dezember 2024 vorsah. Kritisch bewertet der SoVD auch den Wegfall der ursprünglich geplanten Regelungen zu den Fördermitteln ehrenamtlicher Strukturen und Angeboten zur Unterstützung im Alltag sowie zu den vormals vorgesehenen Umwandlungsansprüchen des ambulanten und teilstationären Sachleistungsbetrags. Außerdem hätte sich der SoVD anstelle eines vollständigen Wegfalls der ursprünglich vorgesehenen Regelungen zur flexiblen und leichteren Ausgestaltung der Anforderungen für niedrigschwellige und entlastende Unterstützungsangebote von Pflegebedürftigen eine Nachbesserung der ursprünglichen Regelungen gewünscht. Schließlich braucht es mehr Angebote niedrigschwelliger Unterstützung von Pflegebedürftigen und Entlastung von Pflegepersonen in der Fläche. Dabei braucht es ein angemessenes Verhältnis zwischen Flexibilisierung bzw. Erleichterung der Voraussetzungen und einem Mindestmaß an Anforderungen, etwa bei Kenntnis und Wissen für den Umgang mit Pflegebedürftigen und mit Notsituationen. Denn zum Schutz der Pflegebedürftigen müssen Anforderungen wiederum steigen, wenn sich die Angebote an spezifische Zielgruppen wie Kinder und Jugendliche oder besonders vulnerable Pflegebedürftige (etwa mit kognitiven Beeinträchtigungen wie Demenzerkrankte) richten. Bedenken hatte der SoVD im Hinblick auf das ursprünglich geplante Prüfverfahren bei Einzelhandelnden gegenüber einer rein telefonischen Durchführung zur Feststellung der grundsätzlichen Fähigkeit und Eignung der Person. Zumindest eine erstmalige visuelle Wahrnehmung (persönlich oder zumindest videogestützt) sollte der Regelfall sein.

3 Zu den Regelungen im Einzelnen

Stärkung der Prävention für Pflegebedürftige in der häuslichen Pflege

Zu Artikel 1 Nr. 2 b (§ 5 Abs. 1a SGB XI - NEU)

Der Zugang zu Präventionsleistungen für Pflegebedürftige in häuslicher Pflege soll deutlich verbessert werden, indem diese eine zielgenaue Präventionsberatung erhalten und die Empfehlung einer konkreten Maßnahme zur Prävention durch Pflegefachpersonen ermöglicht wird. Dazu sollen die Pflegekassen, wie im stationären Bereich auch, im Bereich der ambulanten pflegerischen Versorgung mit Bedarfserhebungen zu präventiven und gesundheitsfördernden Maßnahmen sowie Beratung und Empfehlung von Präventionsleistungen unterstützen. Pflegefachpersonen können im Zusammenhang mit Beratungsbesuchen oder häuslichen Pflegeleistungen Empfehlungen für Leistungen zur verhaltensbezogenen Prävention aussprechen. Bedarfserhebung, Beratung und Empfehlung sollen frühestmöglich nach Feststellung der Pflegebedürftigkeit sowie während fortbestehender Pflegebedürftigkeit erfolgen.

SoVD-Bewertung: Die Stärkung des präventiven Ansatzes in der häuslichen Pflege begrüßt der SoVD ausdrücklich. Es ist wichtig, den präventiven Ansatz nicht nur frühestmöglich nach Feststellung der Pflegebedürftigkeit, sondern gerade auch während der fortbestehenden Pflegebedürftigkeit weiter zu verfolgen und sicherzustellen. Die Stärkung der Rolle der Pflegefachpersonen beim Erkennen von Präventionsbedarfen ist richtig. 

Prävention und Rehabilitation müssen neben der Heilbehandlung und Langzeitpflege gleichrangige Schwerpunkte sein, auch in der medizinischen und pflegerischen Ausbildung. Vor diesem Hintergrund fordert der SoVD auch die gezielte Umsetzung des gesetzlichen Auftrags des Grundsatzes „Rehabilitation vor und bei Pflege“. Rehabilitation darf sich nicht auf die Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit oder die Vermeidung von Pflegebedürftigkeit reduzieren. Dazu gehört auch die Verhinderung sowie Minderung von Pflegebedarfen. Dazu ist es notwendig, das Angebot stationärer und vor allem ambulanter – insbesondere mobiler – Rehabilitation flächendeckend bedarfsgerecht auszubauen. Das muss ganz besonders für Schwerstbetroffene gelten. Die Rolle der Pflegekräfte ist auch hier beim Erkennen zu stärken. Die Pflegekassen müssen stärker Rehabilitationsverantwortung übernehmen. 

Modellförderung zur Ausgestaltung der Inhalte von pflegerischen und heilkundlichen Leistungen nach SGB V und SGB XI 

Artikel 1 Nr. 6 b (zu § 8 Abs. 3c SGB XI – NEU)

Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen ist aufgefordert, gemeinsam mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen wissenschaftliche Expertisen zur konkreten Ausgestaltung der Inhalte von pflegerischen und heilkundlichen Leistungen des fünften und elften Buches zu fördern, die durch Pflegefachpersonen jeweils abhängig von ihren Kompetenzen erbracht werden können. Zur Umsetzung der Aufgaben werden aus dem Ausgleichsfonds der Pflegeversicherung für die Jahre 2026 bis 2031 insgesamt zehn Millionen Euro bereitgestellt, unter hälftiger Kostenbeteiligung der gesetzlichen Krankenversicherung sowie anteiliger Kostenbeteiligung der privaten Versicherungsunternehmen, die die private Pflege-Pflichtversicherung durchführen.

SoVD-Bewertung: Eine systematische und umfassende, qualifikationsbezogene Darstellung der Aufgaben der Pflege ist zur Klärung und Erweiterung der Aufgaben von Pflegefachpersonen essenziell. Es ist richtig, dass „ein Schließen der Lücke der Versorgung der Versicherten in beiden Rechtskreisen zugutekommen und gerade in Zeiten eines akuten Fachkräftemangels die Sicherstellung der Versorgung wesentlich unterstützen“ wird (vgl. Gesetzesbegründung zu Artikel 1 Nr. 6 Buchstabe b). Dies gilt jedoch auch hinsichtlich des Versichertenstatus, sodass auch eine Kostenbeteiligung der privaten und gesetzlichen Krankenversicherung entsprechend zur Anwendung kommen muss. Die gemeinsame Finanzierung aus Mitteln der Pflegekassen und Krankenkassen erscheint indes sachgerecht, da der Katalog naturgemäß nicht nach Versicherungsbereichen unterscheidet, sondern Aufgaben qualifikations- und kompetenzabhängig beschreibt und damit beide Sozialversicherungen gleichermaßen von den Ergebnissen profitieren. Richtigerweise ist aber eine systemgerechte Finanzierung der Kosten des Modells insgesamt aus Bundessteuermitteln zu fordern. Schließlich ist die pflegerische Versorgung der Bevölkerung gemäß § 8 Absatz 1 SGB XI eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Evaluation der Entwicklung der Zahl der Pflegebedürftigen und Wirkungsweisen des neuen Begutachtungsinstruments

Zu Artikel 1 Nr. 12 (zu § 15 Absatz 8 SGB XI – NEU)

Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen wird verpflichtet, dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) bis zum 30. Juni 2026 einen unter unabhängiger wissenschaftlicher Begleitung zu erstellenden Bericht zu den Erfahrungen der Pflegekassen und der Medizinischen Dienste mit dem Begutachtungsinstrument einschließlich der Wirkungsweisen zur Ermittlung des Grades der Pflegebedürftigkeit hinterlegten Bewertungssystematik und zu möglichen Weiterentwicklungen vorzulegen. In dem Bericht ist v.a. die Entwicklung der Zahl der Pflegebedürftigen seit 2017 unter Berücksichtigung insbesondere von medizinisch-pflegerischen Aspekten, demografischen Faktoren und sozioökonomischen Einflüssen auf wissenschaftlicher Grundlage zu untersuchen.

SoVD-Bewertung: Angesichts eines deutlich höheren Anstiegs der tatsächlichen Zahl der Pflegebedürftigen über die prognostizierte demografische Entwicklung hinaus erscheint eine Evaluation sinnvoll. Die Ergebnisse müssen aber transparent veröffentlicht werden und einem pflegefachlichen und wissenschaftlichen Diskurs zugänglich sein. Eine Beteiligung der auf Bundesebene maßgeblichen Organisationen für die Wahrnehmung der Interessen und der Selbsthilfe pflegebedürftiger und behinderter Menschen nach § 118 SGB XI ist sicherzustellen. Vor dem Hintergrund kommt auch die Reaktivierung des damaligen Begleitgremiums zur Einführung und Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und des neuen Begutachtungsinstruments (Begleitgremium nach § 18c SGB XI – Alte Fassung) zur Beratung der Ergebnisse des Berichts in Betracht. Der SoVD betont: Die Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und des neuen Begutachtungsinstruments zur Feststellung von Pflegebedürftigkeit auf Grundlage eines pflegewissenschaftlich fundierten Verständnisses von Pflegebedürftigkeit war ein wichtiger Meilenstein. Mit dem neuen Pflegeverständnis fand ein entscheidender Perspektivwechsel statt: Die Abwendung von einer allein defizitbezogenen Sicht auf den zu pflegenden Menschen hin zu einer ressourcenorientierten Sichtweise mit dem Grad der Selbstständigkeit der Pflegebedürftigen als neuem Maßstab für Pflegebedürftigkeit.

Vermutung der Notwendigkeit der (Pflege-)Hilfsmittelempfehlung von Pflegefachpersonen

Zu Artikel 1 Nr. 14 und 25 (§§ 17a, 40 Absatz 6 SGB XI – NEU)

Nach § 40 Absatz 6 SGB XI – NEU können Pflegefachpersonen künftig im Rahmen ihrer Leistungserbringung zur häuslichen Krankenpflege (§ 37 SGB V), der außerklinischen Intensivpflege (§ 37c SGB V) oder im Rahmen der Beratungsbesuche nach § 37 Absatz 3 SGB XI konkrete Empfehlungen zur Hilfsmittel- und Pflegehilfsmittelversorgung abgeben, deren Notwendigkeit und Erforderlichkeit der Versorgung bei Antragstellung vermutet wird. Die Empfehlung darf bei der Antragstellung nicht älter als zwei Wochen sein und ist zusammen mit dem Antrag des Versicherten bei der Kranken- oder Pflegekasse zu übermitteln. Einer ärztlichen Verordnung nach § 33 Absatz 5a SGB V oder einer Verordnung einer Pflegefachperson nach § 15a Absatz 1 Nummer 2 SGB V bedarf es dann nicht. In welchen Fällen und für welche Pflegehilfsmittel und Hilfsmittel die Notwendigkeit oder Erforderlichkeit der Versorgung vermutet wird, über welches Qualifikationsniveau die empfehlende Pflegefachperson verfügen soll und das Nähere zum Verfahren der Empfehlung durch die Pflegefachperson bei Antragstellung bestimmt sich nach den Festlegungen in den Richtlinien des Spitzenverbandes Bund der Pflegekassen gemäß § 17a SGB XI - NEU. 

SoVD-Bewertung: Die Kompetenzerweiterung der Pflegefachpersonen bei der Empfehlung von Pflegehilfsmitteln nach SGB XI und Hilfsmitteln nach SGB V ist sehr zu begrüßen. Damit werden vorhandene Ressourcen und Kompetenzen genutzt und die Attraktivität der Pflegefachberufe erheblich gesteigert. Dies kann ein entscheidender erster Schritt zur Reduzierung des Fachkräftemangels sein. Die Vermutung der Erforderlichkeit und Notwendigkeit der Empfehlung im Rahmen der Antragstellung bei den Kranken- und Pflegekassen betont die fachliche Eignung der Pflegefachpersonen. Die Kompetenzerweiterung kann insgesamt zur Verfahrensbeschleunigung in der (Pflege-)Hilfsmittelversorgung erheblich beitragen. Zugleich ist es folgerichtig, die Fälle der Vermutungsregelung und deren Hilfs­mittel, die dafür erforderlichen Qualifikationen der Pflegefachpersonen und das Verfahren in einer Richtlinie zu regeln. Dabei muss von allen Beteiligten auf ein ausgewogenes und angemessenes Verhältnis geachtet werden, um nicht das Ziel der Kompetenzerweiterung und Attraktivitätssteigerung der Pflegeberufe durch zu strenge Vorgaben faktisch zu konterkarieren. Zugleich dürfen Nähe- oder gar Kooperationsverhältnisse zwischen Pflegeeinrichtungen und Hilfsmittelherstellern keinen Einfluss auf die Empfehlungen haben. Eine zeitnahe Evaluation ist daher folgerichtig.

Modellprojekt zur Einbeziehung von Pflegefachpersonen in das Begutachtungsverfahren, insbesondere zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit

Zu Artikel 1 Nr. 17 (§ 18e Absatz 6 SGB XI – NEU)

Der Medizinische Dienst (MD) erhält den Auftrag, in einem Modellprojekt zu prüfen, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang anstelle der Gutachter*innen des MD oder der von der Pflegekasse beauftragten Gutachter*innen auch in der Versorgung tätige Pflegefachpersonen hinsichtlich der von ihnen versorgten pflegeleistungsberechtigten Personen Aufgaben im Rahmen des Begutachtungsverfahrens nach den §§ 18a, 18b und § 142a übernehmen können. Der Abschlussbericht ist bis zum 30. Juni 2028 vorzulegen.

SoVD-Bewertung: Die Einbeziehung der leistungserbringenden Pflegefachpersonen in das Begutachtungsverfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit in einem ersten Modellprojekt zu prüfen, ist grundsätzlich sinnvoll und vor einer möglichen Umsetzung in der Regelversorgung sachgerecht. Dies entspricht zum einen der Zielsetzung des Gesetzentwurfs, einer Steigerung der Attraktivität der Pflegefachberufe durch mehr fachliche Einbeziehung und Verantwortung der in der Versorgung tätigen Pflegefachpersonen, was der SoVD ausdrücklich unterstützt. Zum anderen bietet die Einbindung vorhandener fachlicher Kompetenzen und personeller Ressourcen, dass über ein spezifisches Wissen aus dem persönlichen Näheverhältnis verfügt, verfahrensbeschleunigendes und -unterstützendes Potenzial angesichts der demografischen Herausforderungen in der Pflege. Allein im Jahr 2023 fanden laut Statistik des MD 3.280.000 versichertenbezogene Beratungen und Begutachtungen der Medizinischen Dienste für die Pflegeversicherung statt, darunter allein 2.883.000 Begutachtungen zur Feststellung von Pflegebedürftigkeit sowie 272.000 Pflegebegutachtungen mit verkürzter Begutachtungsfrist. Die gesetzlich vorgegebene Bearbeitungsfrist für Anträge auf Pflegeleistungen beträgt 25 Arbeitstage. Nach Zahlen des GKV-SV war im Jahr 2023 bei rund 25,6 Prozent aller Anträge eine Fristüberschreitung zu verzeichnen.

Klarstellung zu den digitalen Pflegeanwendungen und Leistungsanpassungen

Zu Artikel 26 a und b sowie 27 (§ 40a Absatz 1a Satz 1 und Absatz 2 sowie § 40 b Absatz 1 SGB XI - NEU)

Es wird klargestellt, dass erstattungsfähige digitale Pflegeanwendungen auch auf die Unterstützung pflegender Angehöriger oder sonstiger ehrenamtlich Pflegender ausgerichtet sein können. Der Anspruch umfasst nur digitale Pflegeanwendungen, die vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in das Verzeichnis für digitale Pflegeanwendungen nach § 78a Absatz 3 aufgenommen sind. Zudem wird der bislang einheitliche Leistungsbetrag für digitale Pflegeanwendungen und ergänzende Unterstützungsleistungen aufgeteilt und der Leistungsbetrag angepasst, von vormals 50 Euro auf insgesamt 70 Euro monatlich.

SoVD-Bewertung: Der SoVD begrüßt die Änderungen. Durch die Klarstellung zu den digitalen Pflegeanwendungen zur Unterstützung pflegender Angehöriger oder sonstiger ehrenamtlicher Pflegender sind auch digitale Pflegeanwendungen zulässig, wenn sie sich auf eine entlastende Wirkung für die Pflegepersonen oder einen stabilisierenden Effekt für die häusliche Versorgungssituation der pflegebedürftigen Person beschränken. Die Aufteilung in separate Leistungsbeträge für digitale Pflegeanwendungen und ergänzende Unterstützungsleistungen ist nachvollziehbar und die Anhebung der Leistungsbeträge von vormals 50 Euro auf insgesamt 70 Euro monatlich ist zu begrüßen.

Gewährung der Zuschüsse bei Pflegezeit auch beim Tod des Pflegebedürftigen

Zu Artikel 1 Nr. 28 (§ 44a Absatz 1 SGB XI – NEU)

Verstirbt der Pflegebedürftige innerhalb der Pflegezeit, werden beantragte Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung bis zum Ende der Pflegezeit gewährt.

SoVD-Bewertung: Mit der ergänzenden Klarstellung wird eine Regelungslücke geschlossen. Verstirbt der Pflegebedürftige während der Pflegezeit, ist die häusliche Pflege nicht mehr möglich und die Pflegezeit endet vier Wochen nach dem Tod des Pflegebedürftigen. Die Pflegezeit kann jedoch nur vorzeitig beendet werden, wenn der Arbeitgeber zustimmt (§ 4 Absatz 2 Satz 3 PflegeZG). Nach § 49 Absatz 1 Satz 2 SGB XI endet mit seinem Tod die Mitgliedschaft des Pflegebedürftigen in der Pflegeversicherung und nach § 35 Satz 1 SGB XI auch die Ansprüche auf Leistungen. Dies hat grundsätzlich zur Folge, dass auch der Anspruch des Beschäftigten auf den Zuschuss erlischt und der Beschäftigte, sofern der Arbeitgeber nicht einer vorzeitigen Rückkehr zustimmt, seinen Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung in den vier Wochen der weiterhin andauernden Pflegezeit in voller Höhe selbst zu tragen hat. Nunmehr werden auch beim Tod der pflegebedürftigen Person innerhalb der Pflegezeit die beantragten Zuschüsse bis zum Ende der Pflegezeit gewährt.

„Stambulante“ Versorgung in gemeinschaftlichen Wohnformen

Zu Artikel 1 Nr. 32 und Nr. 40 (§ 45h – NEU sowie § 92c SGB X – NEU)

Der Gesetzentwurf normiert gemeinschaftliche Wohnformen als neue pflegerische Versorgungsform. Sie sollen als sogenannte „stambulante“ Versorgungform als dritten Sektor die Lücke zwischen den bereits heute in der häuslichen Versorgung bestehenden ambulanten Versorgungsformen und der vollstationären Pflege schließen. Die notwendigen vertragsrechtlichen Regelungen werden in § 92c SGB XI – NEU getroffen, als Option für zugelassene ambulante Pflegeeinrichtungen, im Rahmen sektorenübergreifender Verträge die pflegerische Versorgung für konkrete gemeinschaftliche Wohnformen zu übernehmen. Ambulante Pflegedienste müssen ein Basispaket aus pflegerischen, betreuerischen und hauswirtschaftlichen Leistungen sicherstellen (partielle Versorgungsgarantie). Zusätzlich sollen über das Basispaket nach Art und Inhalt hinausgehende, auf Wunsch und bei Bedarf „hinzubuchbare“ Versorgungsangebote (Module) angeboten werden, die auch auf Wunsch pflegende An- und Zugehörige erbringen können. Die Pflegedienste verantworten die Versorgungsqualität ihrer Leistungen. Entsprechende Qualitätsprüfungsvorgaben, die vom Qualitätsausschuss Pflege noch zu entwickeln sind, müssen eingehalten werden. Eine Evaluation ist nach drei Jahren vorgesehen. Bei der Evaluation ist auch die Einbeziehung Angehöriger, sonstiger Pflegepersonen und ehrenamtlich Tätiger in die Versorgung zu berücksichtigen.

 Der § 45h SGB X – NEU regelt, welche Ansprüche in gemeinschaftlichen Wohnformen zur Verfügung stehen. Da es sich nicht um eine klassische ambulante oder klassische stationäre Versorgungsform handelt, stehen den Pflegebedürftigen nicht alle Leistungen der jeweiligen Versorgungsform zur Verfügung, darunter der Wohngruppenzuschlag und der Entlastungsbetrag. Pflegebedürftige in gemeinschaftlichen Wohnformen erhalten unabhängig vom Pflegegrad zur pflegerischen Versorgung einen pauschalen Zuschuss in Höhe von 450 Euro je Kalendermonat zur Sicherstellung einer selbstbestimmten Pflege, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen (insbesondere Einhaltung der Bewohner*innenzahl bei mindestens zwei Pflegeleistungsberechtigten und keiner sonstigen einschlägigen Versorgungsform). 

SoVD-Bewertung: Der SoVD erkennt den gesetzgeberischen Willen an, dem Wunsch vieler Pflegebedürftiger nach Alternativen zu den klassischen Versorgungsformen zu entsprechen und Mischformen als sogenannte neue Wohnformen zu fördern und weiterzuentwickeln. Mit der Einführung der „stambulanten“ Versorgung in gemeinschaftlichen Wohnformen soll erkennbar dem Spannungsverhältnis zwischen dem Wunsch nach mehr Selbstbestimmung und nach Versorgungssicherheit sowie gleichzeitig dem Problem der erschwerten Zuordnung der Mischformen zu den klassischen Sektoren (ambulant oder stationär) begegnet werden. Zu enge formale Bedingungen könnten jedoch den entgegengesetzten Effekt bewirken: Wird mit der „stambulanten“ Versorgung eine zu eng reglementierte neue Versorgungsform geschaffen, besteht die Sorge, dass andere innovative Wohnformen in ihrem Bestand und ihrer Weiterentwicklung das Nachsehen haben, wenn sie nur minimal von engen formalen Vorgaben abweichen.

Es bleibt zu befürchten, dass dadurch die kritisch gesehenen Sektorengrenzen in der Langzeitpflege weiter verstetigt werden, anstatt sie zu durchbrechen und abzubauen, wenn dadurch „lediglich“ eine weitere dritte „starre“ Versorgungssäule entsteht. Dabei ist das Spektrum gemeinschaftlicher Wohnformen vielfältig und weiter ausbaufähig: häusliche Wohnsettings, die mehr Versorgungssicherheit als üblich gewährleisten, bis hin zu klassischen Wohnsettings der Vollversorgung, die die Versorgungssicherheit mit mehr Selbstbestimmung und individuellen Lebensweisen kombinieren wollen. Es gibt selbstorganisierte gemein­schaftliche Wohnformen ebenso wie Betreutes Wohnen bzw. Service-Wohnen, ambulante Pflegewohn- und Hausgemeinschaften und integrierte Konzepte einschließlich Quartierskonzepte. Allen Modellen ist gemeinsam, dass die Initiatoren versuchen, neue, innovative Versorgungslösungen zu entwickeln, die von her­kömmlichen Konzepten abweichen oder diese fortentwickeln, um die Wohn- und Versorgungssituation pflegebedürftiger Menschen noch bedarfsgerechter zu gestalten. 

Das zusätzliche modulare Angebot ermöglicht Pflegeanbietern, gerade Pflegebedürftigen mit geringem und mittlerem Pflegebedarf ein attraktives Angebot zu machen und pflegerische Verantwortung den Angehörigen zu überantworten, wenn diese ihnen zugewiesene Aufgabenkomplexe übernehmen, um Kosten zu sparen. Mit steigendem Pflegebedarf wird das jedoch nicht mehr der Regelfall sein und gerade jene mit geringen finanziellen Möglichkeiten haben das Nachsehen. Anstatt eine einheitliche Versorgung mit klaren und pflegerischen Zuständigkeiten zu gewährleisten, besteht die Sorge vor einer Mehrklassenversorgung. Zugleich besteht die Sorge, dass Pflegeeinrichtungen gezielt keine vollumfänglichen Angebote zur Versorgung mehr anbieten, wodurch insbesondere eine bedarfsgerechte Versorgung Pflegebedürftiger mit geringen Einkommen ohne pflegende An- und Zugehörige gefährdet erscheint. Insoweit spricht sich der SoVD weiterhin für die Einführung einer – am individuellen Pflegebedarf ausgerichteten – Pflegevollversicherung aus, die alle pflegerischen Kosten übernimmt. 

Schließlich wird die gesetzgeberische Umsetzung des Konzepts „Stambulant“ vom Urheber des namensgebenden Modellprojekts, dem BeneVit-Geschäftsführer Kaspar Pfister, selbst kritisiert. Als ein gefördertes Modellprojekt mit Unterstützung des GKV-Spitzenverbands wurde das Konzept „Stambulant“ von der BeneVit-Gruppe in Zusammenarbeit mit den Pflegekassen, unter der Federführung der AOK Baden-Württemberg und dem Sozialministerium Baden-Württemberg konzeptionell entwickelt, an deren Ende der Abschlussbericht des IGES-Instituts ausdrücklich die Umsetzung des Modells Haus Rheinaue empfohlen hat.

Vor diesem Hintergrund hat der SoVD große Vorbehalte gegen die Einführung der vorliegenden „stambulanten“ Versorgung als dritte Säule im Sektorensystem der Langzeitpflege.

Weiterentwicklung des Qualitätsausschusses Pflege 

Zu Artikel 1 Nr. 57 b und c (§ 113b Absatz 3 und 4 SGB XI – NEU) 

Die Rolle der oder des unparteiischen Vorsitzenden des erweiterten Qualitätsausschusses Pflege soll gestärkt werden. Der erweiterte Qualitätsausschuss soll sich künftig bis zu zweimal pro Kalenderjahr auf Initiative des unparteiischen Vorsitzenden auch mit Themen befassen können, die über die konkreten gesetzlichen Aufträge hinausgehen und hierzu Entscheidungen treffen. Mit einfacher Mehrheit soll zudem der erweiterte Qualitätsausschuss auch über die Einrichtung von Arbeitsgruppen entscheiden können, die von der oder dem unparteiischen Vorsitzenden mit Unterstützung der Geschäftsstelle des Qualitätsausschusses Pflege geleitet werden. 

SoVD-Bewertung: Als einer der auf Bundesebene am Qualitätsausschuss Pflege beteiligten maßgeblichen Verbände nach § 118 SGB XI begrüßt der SoVD grundsätzlich den Weiterentwicklungsgedanken, empfiehlt jedoch anstelle der geplanten Regelung 

  1. die Berufung eines ständigen unparteiischen Vorsitzenden für den Qualitätsausschuss, der wie sein/e Stellvertreter/in vom Bundesministerium für Gesundheit benannt wird, wodurch der erweiterte Qualitätsausschuss Pflege obsolet wird, sowie
  2. ein Antragsrecht der oder des ständigen Vorsitzenden im Qualitätsausschuss Pflege neben seinem Stimmrecht. 

Der SoVD teilt die Einschätzung des Gesetzgebers, der Bedeutung des Qualitätsausschusses für die Qualitätsentwicklung in der Pflege Rechnung zu tragen und das Gremium institutionell weiterzuentwickeln. Jedoch widersprechen die geplanten Änderungen den bisherigen Strukturen des erweiterten Qualitätsausschusses in seiner ausschließlichen Funktion als Schiedsstelle. Der erweiterte Qualitätsausschuss dient allein der Konfliktlösung bei fehlendem Konsens zwischen den Vertragsparteien für einzelne Entscheidungen. Soll die Expertise der oder des unparteiischen Vorsitzenden und der unparteiischen Mitglieder unabhängig von der Konfliktlösung für die Qualitätsentwicklung nutzbar gemacht werden, ist eine Strukturveränderung notwendig, und der oder die ständige unparteiische Vorsitzende ist als stimmberechtigtes Mitglied dauerhaft in den Qualitätsausschuss Pflege zu integrieren. Eines zusätzlichen, erweiterten Qualitätsausschusses bedarf es dann nicht mehr. Diese Umstrukturierung stärkt die Funktion des Qualitätsausschusses als unabhängige Instanz, verbessert die Transparenz und dient zugleich der Verfahrensbeschleunigung. Dies entspricht den etablierten Strukturen des Gemeinsamen Bundesausschusses. 

Zugleich sollte die oder der unparteiische Vorsitzende ein reguläres Antragsrecht erhalten, statt eines Themeninitiativrechts. Der Vorsitz kann damit wie die Vertragsparteien und die Verbände nach § 118 SGB XI sowie die Berufsverbände nach § 118a SGB XI-NEU gleichberechtigt Impulse in den Qualitätsausschuss Pflege einbringen.

Pflegerische und (erweiterte) heilkundliche Leistungen sowie selbstständige Erbringung von Leistungen in der vertragsärztlichen Versorgung und Verordnung häuslicher Krankenpflege durch Pflegefachpersonen

Zu Artikel 2 Nr. 2 und Nr. 12 (§ 15a SGB V – NEU sowie § 73d SGB V – NEU)

Für Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung wird in § 15a SGB V – NEU festgelegt, dass Pflegefachpersonen abhängig von ihrer jeweiligen Qualifikation neben pflegerischen auch heilkundliche (beispielsweise Leistungen der häuslichen Krankenpflege und medizinischen Behandlungspflege) sowie erweiterte heilkundliche Leistungen (konkret in den Bereichen diabetische Stoffwechsellage, chronische Wunden und Demenz) im Rahmen der leistungsrechtlichen Vorschriften erbringen dürfen. Letztere bezieht sich auf Aufgaben, die in der Versorgung bisher Ärzt*innen vorbehalten waren. 

Das soll auch die Möglichkeit der selbstständigen Folgeverordnung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege umfassen. Die erforderlichen Kompetenzen für erweiterte heilkundliche Leistungen werden ab 1. Januar 2025 im Rahmen der hochschulischen Pflegeausbildung vermittelt. Daneben wird der Begriff der Pflegefachperson für die Zwecke des fünften und elften Sozialgesetzbuches legal definiert. In einem Rahmenvertrag sollen die erweiterten heilkundlichen Leistungen zur selbstständigen Leistungserbringung im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung, einschließlich der selbstständigen (Folge-)Verordnung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege, abhängig von den erworbenen Kompetenzen, vereinbart werden. Vertragsärzt*innen können künftig einer Pflegefachperson mit entsprechenden Qualifikationen die selbstständige Ausübung der vereinbarten heilkundlichen Leistungen übertragen. Die Auswirkungen der selbstständigen Erbringung erweiterter heilkundlicher Leistungen durch Pflegefachpersonen im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung und in der Langzeitpflege sollen bis zum 31. Dezember 2027 evaluiert werden. Parallel ist eine weitere Evaluation vorgesehen zur Entwicklung und Umsetzung der selbstständigen Erbringung dieser in anderen Versorgungsbereichen, insbesondere im Bereich der Krankenhäuser und Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen. Die Entwicklung und Umsetzung sollen bis 31. Dezember 2027 evaluiert werden.

SoVD-Bewertung: Der SoVD unterstützt die Kompetenzerweiterung der Pflegefachpersonen ausdrücklich. Dies wird dem Pflegeberuf als Heilberuf mit eigenen beruflichen Kompetenzen gerecht, nutzt vorhandene personelle und fachliche Ressourcen und entspricht der Notwendigkeit einer gezielten Stärkung der Attraktivität der Pflegefachberufe durch mehr fachliche Einbeziehung und Verantwortung der in der Versorgung tätigen Pflegefachpersonen. Gerade die Möglichkeit der hochschulischen Kompetenzerweiterung auf solche Aufgaben, die in der Versorgung bisher allein Ärzt*innen vorbehalten waren, ist ein Meilenstein in diese Richtung. Dabei muss darauf geachtet werden, dass der Fokus nicht zu sehr auf einer Entlastung der Ärzteschaft, sondern auf die Professionalisierung der Pflegeberufe gerichtet ist. Eine zeitnahe Evaluation der Auswirkungen im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung sowie der in anderen Versorgungsbereichen ist folgerichtig und wichtig, um Anpassungen und Weiterentwicklungsmöglichkeiten für die Regelversorgung zu (über)prüfen.

Bescheinigung über Pflegebedürftigkeit für Pflegezeitauch durch Pflegefachpersonen

Zu Artikel 3 (§ 2 Absatz 2 Satz 2 Pflegezeitgesetz)

Die Bescheinigung über die Pflegebedürftigkeit des nahen Angehörigen und die Erforderlichkeit der in § 1 Pflegezeitgesetz genannten Maßnahmen kann neben Ärzt*innen künftig auch von Pflegefachpersonen ausgestellt werden.

SoVD-Bewertung: Der SoVD begrüßt auch diese sinnvolle Kompetenzerweiterung für Pflegefachpersonen. Zugleich ermöglicht es Beschäftigten in einer akut aufgetretenen Pflegesituation mehr Flexibilität, indem sie sich für die vom Arbeitgeber verlangte Bescheinigung künftig auch an eine Pflegefachperson wenden können und dies entspricht dem Sinn und Zweck des Pflegezeitgesetzes zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf.

4 Zu ergänzende Regelungen und weiterführende Hinweise

SoVD fordert Verstetigung des Amts der*des Beauftragten der Bundesregierung für Pflege

Als eine der sechs auf Bundesebene maßgeblichen Organisationen für die Wahrnehmung der Interessen und der Selbsthilfe pflegebedürftiger und behinderter Menschen nach § 118 SGB XI fordert der SoVD die Verstetigung des Amts der*des Beauftragten der Bundesregierung für Pflege, wie es noch der Kabinettsentwurf eines Pflegekompetenzgesetzes vom 18. Dezember 2024 vorgesehen hat. Dazu ist die Bestellung einer*s Beauftragten der Bundesregierung für Pflege sowie die Aufgaben und die Beteiligungsrechte der beauftragten Person gesetzlich zu verankern.

Das Amt ist eine wichtige Schnittstelle zwischen den pflegebedürftigen Menschen, ihren An- und Zugehörigen sowie der beruflich Pflegenden im Pflege- und Gesundheitssystem und der Bundesregierung.

Zur weiteren Verbesserung der Wahrnehmung der Interessen der Pflegebedürftigen, ihrer Angehörigen und vergleichbarer Nahestehender soll durch die*den Beauftragte*n der Bundesregierung für Pflege ein Beirat eingerichtet werden. Damit wird der bereits in der 20. Legislaturperiode etablierte regelmäßige Austausch der Geschäftsstelle der Pflegebevollmächtigten mit dem SoVD und weiteren Interessensverbänden der Pflegebetroffenen und ihrer An- sowie Zugehörigen weiterentwickelt und sinnvoll verstetigt. Dem Beirat müssen konsequenterweise die maßgeblichen Verbände nach § 118 SGB XI, darunter der SoVD, angehören.

Ergänzende Hinweise zu den Voraussetzungen für die niedrigschwellige Unterstützung von Pflegebedürftigen und Entlastung von Pflegepersonen

Eine flexible und niedrigschwellige Ausgestaltung der Anforderungen an die Betreuungsangebote (insbesondere ehrenamtlichen Engagements), wie sie noch der Kabinettsentwurf eines Pflegekompetenzgesetzes der vergangenen Bundesregierung vom 18. Dezember 2024 vorsah, wird dem Grunde nach weiterhin unterstützt. Eine zwingende Fachkraftbegleitung und Auslegungsschwierigkeiten beim Umfang der Anleitung können ungewollt die Anerkennungsmöglichkeiten einschränken und limitierend auf den Aus- und Aufbau solcher Angebote wirken.

 Angebote, in denen insbesondere ehrenamtliche Helfer*innen tätig sind, sind von solchen ambulanten Pflegediensten und ambulanten Betreuungseinrichtungen im Sinne des § 71 SGB XI zu differenzieren. Pflegebedürftige und deren Angehörige dürfen von professionellen Betreuungsdiensten eine enge pflegefachliche Anleitung mit entsprechenden Kenntnissen im Umgang und eine pflegespezifische Sensibilisierung erwarten. Einzelhelfende kommen vor allem im häuslichen Bereich für jene Zielgruppe in Betracht, bei denen im Rahmen der niedrigschwelligen Angebote kein Bedarf nach einer pflegefachlichen Begleitung besteht oder das Benennen einer Anlaufstelle für Fragen bereits ausreicht. Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll, Anerkennungsvoraussetzungen für ehrenamtlich Helfende grundsätzlich flexibler und niedrigschwelliger vorauszusetzen. Neben der verlässlichen und sachgerechten Ausübung der Leistung ist ein erforderliches Mindestmaß an Kenntnis und ausreichendem Wissen, insbesondere im Umgang mit Pflegebedürftigen und Notsituationen, je nach Angebot sicherzustellen. 

Dies ist wichtig, zum Beispiel für das Erkennen von weitergehendem Hilfebedarf und für Hinweise auf weitere Beratungs- und Unterstützungsstrukturen sowie für den Umgang im Näheverhältnis. Die Anforderungen müssen zum Schutz der Pflegebedürftigen steigen, wenn sich die Angebote an spezifische Zielgruppen wie Kinder und Jugendliche oder besonders vulnerable Pflegebedürftige (etwa mit kognitiven Beeinträchtigungen wie Demenzerkrankte) richten. Im Hinblick auf das Prüfverfahren bei Einzelhandelnden hat der SoVD jedoch Bedenken gegen die rein telefonische Durchführung zur Feststellung der grundsätzlichen Fähigkeit und Eignung der Person. Zumindest eine erstmalige visuelle Wahrnehmung (persönlich oder zumindest videogestützt) sollte der Regelfall sein.

Ergänzung von zusätzlichen Fördermitteln für ehrenamtliche Strukturen und Angebote zur Unterstützung im Alltag

Zu § 45c SGB XI

Ursprünglich sollten mit dem Pflegekompetenzgesetz neben der Stärkung des niedrigschwelligen Bereichs auch die Fördermöglichkeiten nach § 45c SGB XI verbessert werden (vergleiche dazu den Kabinettsentwurf vom 18. Dezember 2024). Dazu sollte die Förderung von Unterstützungsstrukturen für Angebote zur Unterstützung im Alltag ausdrücklich aufgenommen und die beispielhafte Aufzählung des Fördermitteleinsatzes bei der Förderung von Angeboten zur Unterstützung im Alltag – auch im Hinblick auf Tagesbetreuungsgruppen – weiterentwickelt werden. Darunter sollten Projektförderungen oder dauerhafte Förderungen abrufbar sein, etwa zur Finanzierung von Aufwandsentschädigungen sowie Fahrkosten für die ehrenamtlich tätigen Helfenden sowie notwendige Personal- und Sachkosten, die mit der Koordination und Organisation der Hilfen verbunden sind.

Außerdem war eine Erhöhung des Fördervolumens von 20 auf 60 Mio. Euro je Kalenderjahr vorgesehen. Dazu betonte der ursprüngliche Kabinettsentwurf in seiner Begründung (vergleiche Kabinettsentwurf vom 18. Dezember 2024 zu Artikel 1 Nr. 32 zu Buchstabe a, Doppelbuchstabe aa und bb, S. 126) die Erhöhung selbst mit der Bedeutung, die die Förderzwecke des § 45c für die Versorgung von Pflegebedürftigen, aber auch für die Unterstützung von Pflegepersonen haben. Damit sollte ein wichtiger Beitrag geleistet werden, um die häusliche Versorgung von Pflegebedürftigen, die sich die meisten Menschen wünschen, möglichst lange aufrechtzuerhalten. Der SoVD plädiert für die Wiederaufnahme der ursprünglichen Anpassungen und Erhöhungen der Fördermittel für ehrenamtliche Strukturen und Angebote zur Unterstützung im Alltag.

Ergänzung um die ursprünglich geplanten Umwandlungsansprüche des ambulanten und teilstationären Sachleistungsbetrags

Der Kabinettsentwurf eines Pflegekompetenzgesetzes vom 18. Dezember 2024 sah neben einer Neuregelung des bisherigen Umwandlungsanspruchs nicht bezogener ambulanter Sachleistungsbeträge für Leistungen zur Unterstützung im Alltag auch eine Erhöhung des Höchstbetrags von bisher 40 Prozent auf 50 Prozent des jeweiligen Höchstleistungsbetrags des berechtigten Sachleistungsbetrags vor. Zugleich sollte ein neuer Anspruch auf Umwandlung des teilstationären Sachleistungsbetrags eingeführt werden. Pflegebedürftige hätten danach den Anspruch, teilstationäre Tages- und Nachtpflege nach § 41 SGB XI in einem Kostenerstattungsanspruch in Höhe von 50 Prozent des jeweiligen Höchstleistungsbetrages für solche anerkannten Angebote zur Unterstützung im Alltag zu nutzen, die eine regelmäßige mehrstündige Betreuung in Gruppen anbieten. Der sogenannte Umwandlungsanspruch für Tagesbetreuung sollte entgegen seiner Bezeichnung gleichermaßen für Unterstützungsangebote der Betreuung am Tage, in Tagesrandzeiten sowie über Nacht gelten. Voraussetzung war eine regelmäßige mehrstündige Betreuung in Gruppen. 

Der SoVD hat die Leistungserhöhung des bestehenden sowie die Einführung des neuen Umwandlungsanspruchs in seiner Stellungnahme vom 27. September 2024 zum damaligen Referentenentwurf ausdrücklich begrüßt und plädiert für eine Wiederaufnahme in den hiesigen Gesetzentwurf. Gerade der sog. Umwandlungsanspruch für Tagesbetreuung kann die dringend benötigten, aber flächendeckend nach wie vor zu wenig vorhandenen Angebote der Tagespflege ergänzen, jedoch nicht ersetzen. Der SoVD betont an dieser Stelle jedoch die Forderung nach dem weiteren Auf- und Ausbau des Angebots der Tagespflege. An dieser Stelle wird vorsorglich darauf hingewiesen, dass der SoVD die ursprüngliche Beschränkung des Umwandlungsanspruchs auf regelmäßige mehrstündige Betreuung in Gruppen kritisch sah. Der Ausschuss des Umwandlungsanspruchs für nur vereinzelte oder nur stundenweise Betreuung erschien wenig flexibel, auch wenn gegebenenfalls der Umwandlungsanspruch nutzbar wäre. Dies belegt einmal mehr die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit eines flexiblen Pflegebudgets, das von den Berechtigten flexibel und bedarfsgerecht eingesetzt werden kann. 

Berlin, 14. Juli 2025

DER VORSTAND
Abteilung Sozialpolitik